Frauenemanzipation auf dem Rad
Als die Frauen begonnen hatten das Fahrrad zu besteigen, das war ungefähr in den Achtziger- und Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts, formierten sich wie so oft in der Geschichte der Emanzipation Widerstände und Anfeindungen. Ursächlicher Hintergrund ist die damalige gesellschaftliche Stellung der Frauen. Ihr privates wie öffentliches Leben wurde durch politische, juristische und sozialökonomische Rahmenbedingungen deklassiert. Mädchen erzog man zu dieser Zeit nicht für ein eigenständiges Leben, sondern für den Mann und die Familie. Deshalb schlägt das „Frauenradfahren“ wie eine revolutionäre Bombe in die damaligen Normvorstellungen ein. Das Radfahren ist die erste sportliche Tätigkeit, bei der Frauen in der Öffentlichkeit – nämlich auf der Straße - als emanzipierte Sportlerinnen auftraten und natürlich auffielen. Die übliche Damenkleidung war ungeeignet zum Radfahren, so wurden „Alternativen“ (Hosenröcke) kreiert, die sogleich zum öffentlichen Streitfall avancierten. 1897 stritt man öffentlich darüber, ob Frauen Rad fahren sollten oder nicht. Als Vorreiterinnen und mit großer Vorbildwirkung traten Künstlerinnen als Radfahrerinnen auf: So zählte etwa die berühmte Schauspielerin Sarah Bernard in Paris dazu. Das löste aber auch moralisch bedenkliche Assoziationen aus. Den frühen Radlerinnen, die sich dem Spott und Hohn der Gesellschaft auslieferten, blieb ein Hauch von Verruchtheit... Das wandelte sich aber um 1900 schnell und es kam zu einer umfangreichen Verbreitung des Frauenradfahrens in bürgerlichen Kreisen. Es entwickelte sich zum prestigeträchtigen Hobby für Damen aus der besten Gesellschaft aller Altersgruppen. „....Aber es half nicht. Es war zu schön, zu neu, zu chik, zu praktisch, zu gesund. Und so stieg eines Tages selbst Bürgermeisters Töchterlein aufs Rad, und ein paar Jahre später legte sich sogar Frau Mama ein Eisenrösslein zu.“ (Berliner Illustrirte Zeitung 1901/24/ S. 372). Literatur: Rüdiger Rabenstein, „Radsport und Gesellschaft – Ihre sozialgeschichtlichen Zusammenhänge in der Zeit von 1867 bis 1914“, Weidmann-Verlag 1996

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