Das ,,Arbeiterfahrrad“
Von 1890 bis 1900 sinkt der Preis des Prestigeobjektes „Fahrrad“ um 50 Prozent. Nicht mehr nur die Reichen finden Gefallen an dem Luxusspielzeug Fahrrad. Weniger privilegierte Schichten bekamen die Möglichkeit durch die Herstellung „in Serie“ am technischen Fortschritt teilzunehmen. Nach 1900 nehmen auch die Arbeiter das neue Verkehrsmittel verstärkt an. Um 1910 benötigt man noch ungefähr einen Wochenlohn als Arbeiter, um ein billiges Neurad zu erwerben. Der Wunsch der Arbeiter, ein Fahrrad zu besitzen, lässt sich aus ihren schlechten Lebens-, Arbeits-, und Wohnverhältnissen erklären, denn eine Industriearbeiterfamilie vor 1914 konnte sich nicht gleichzeitig satt essen, gesund wohnen und ausreichend Kleider besitzen. Auch die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes war damals ausschlaggebend. Viele Familien lebten daher in Einzimmerwohnungen, die von der Fabrik zu Fuß erreichbar waren. Vor dem Ersten Weltkrieg wird das Fahrrad zum Hauptverkehrsmittel der Arbeiter. Sie profitieren von dem schnellen, individuellen technischen Gerät. Ihre Freizeit wird nicht durch lange Fußmärsche vertan. Deshalb entwickelte sich die Arbeiterklasse zum größten Abnehmer der Fahrradindustrie. Spezielle Billigfahrräder wurden für diese Schichte produziert und erhielten den Namen „Volksräder“. Das zahlreiche Auftreten der Arbeiter auf Fahrrädern in der Öffentlichkeit verändert das bisher so bürgerliche Erscheinungsbild des Radfahrens. Der Verzicht zahlreicher Bürgerlicher auf das sonntägliche Prominieren mit dem Fahrrad zeigt, dass in den Städten das wohlhabende Publikum immer mehr vom Fahrrad auf das Auto umsteigt. Literatur: „Gegenwind. Zur Geschichte des Radfahrens“, Kerber Verlag, Bielefeld Kultursekretariat 1995 Und: Rüdiger Rabenstein „Radsport und Gesellschaft“, Weidmann, 2. Auflage 1996

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